Im Auge des Betrachters: Japan

Wer kennt es nicht? Man unterhält sich mit Freunden und plötzlich geht es um Musik oder Kunst und alle haben den gleichen Gedanken: »Meine Freunde haben ja überhaupt keinen Geschmack«. Jetzt gibt es nur noch einen Satz, der das eigene Image retten kann:

»Schönheit liegt im Auge des Betrachters«.

Aber steckt hinter diesem Spruch wirklich mehr als eine schnelle Ausrede um aus einer peinlichen Situation zu kommen?

Kulturell wird Schönheit ja sehr unterschiedlich verstanden. Japan, zum Beispiel, hat eine lange kultivierte Tradition des Schönen. Um euch das ganze ein bisschen näher zu bringen, stelle ich drei meiner liebsten und prägendsten Ausformungen japanischer Ästhetik vor, die in Japan nicht nur die Kunst und Gestaltung, sondern sehr viele Aspekte des Lebens beeinflussen.

Ästhetik in Japan ist eng verbunden mit weit zurückreichenden Idealen von Vergänglichkeit, Alter, Anmut und Unaufdringlichkeit.

Wabi-Sabi

Die Dinge entwickeln sich entweder zum Nichts oder daraus heraus.

Leonard Koren

Ein Zitat das die Kernessenz von Wabi-Sabi beschreibt. Die Idee von Einfachheit, Natürlichkeit und der Hinnahme der Realität. In der Zen Philosophie wird Wabi-Sabi durch sieben Prinzipien beschrieben:

  • Fukinsei (不均斉): Ungleichmäßigkeit und Asymmetrie
  • Kanso (簡素):Einfachheit
  • Koko (考古): Spuren der Zeit
  • Shizen (自然): Natürlich und ohne Vorwand
  • Yūgen (幽玄): Unaufdringlich, doch anmutig
  • Datsuzoku (脱俗): Frei, nicht gebunden an Konventionen
  • Seijaku (静寂): Ruhig

Moderne Wabi-Sabi Ansätze findet man, unter anderem, bei Möbeln aus Holzstümpfen, unbehandelten Betonwänden, rustikalem und unglasiertem Geschirr.

Foto: NordWood Themes

Iki & Yabo

Ins Leben gerufen durch die Händlerklasse während der japanischen Edo-Zeit (1603 – 1868), bezeichnet »Iki« alles was schick und stilvoll ist. Japanische Unterhaltungskünstlerinnen geschult in traditionellen, japanischen Kunstformen, die sogenannten Geisha, verkörpern dies am Besten.

Iki kann man mit vielen Worten beschreiben. Selbst Eigenschaften, die nicht Iki sind, wie übertriebene Eitelkeit, Komplexität, Auffälligkeit oder Niedlichkeit, können auf eine kluge, direkte oder sogar schonungslose Art, ein Teil von Iki sein.

Yabo steht, mehr oder weniger, für alles was nicht Iki ist. Es ist grob und ungeschliffen. Es wird mit den Samurai in Verbindung gebracht. Auch wenn diese als nobel galten, passt ihr kriegerisches Handwerk nicht in die kultivierten „Richtlinien“ von Iki.

Foto: Wang Xi

Yohaku-No-Bi

… oder »die Schönheit des übrig gebliebenen Weiß« ist die Ästhetik der Unvollständigkeit und Offenheit. Ein »Nichts« hat genau so viel, manchmal sogar mehr Bedeutung als ein »Etwas«. In der Kunst muss nicht immer alles gemalt, in einer Szene nicht alles dargestellt und in einem Dialog nicht alles gesagt werden.

Man erschafft durch das Weglassen mehr Raum für Mysterien und regt den Rezipienten an, über das tatsächlich Vorhandene mehr nachzudenken. Es ist nicht gleichzusetzen mit dem Weißraum auf einer Broschürenseite, der alles ruhiger macht. Sondern es ist das gezielte Weglassen und Wegnehmen, um mehr zu geben als vielleicht je hätte da sein können.

Foto: Katie Moum

Meine eigenen Experimente mit japanisch geprägter Ästhetik könnt Ihr im DART-Weihnachtsmailing 2016 entdecken. Dies ist nämlich ein faltbarer Zengarten. Die Gestaltung dieser Trockengärten beruht auch auf traditionell japanischen Ästhetiken und die beiliegenden Deko-Karten sollen verschiedene Kunststile imitieren. So fließt seit meinem halbjährigen Aufenthalt in Tokyo die japanische Ästhetik hin und wieder in meine Arbeit als Gestalter ein. Besonders, wenn es darum geht, Ruhe und Harmonie in meinen Projekten zu vereinen.

DART Weihnachtsmailing 2016 – Kare-san-sui